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Wahlplakate – sinnvolle Entscheidungshilfen oder pure Ressourcenverschwendung?

Selbst wer von sich behaupten würde, ein absoluter Politikmuffel zu sein, kommt aktuell nicht um die Erkenntnis herum, dass in wenigen Tagen wohl die nächste Bundestagswahl ansteht. Und das liegt neben TV-Triellen, ausgiebiger Wahlprogrammchecks, Umfrage-Berichterstattungen sowie der Wahlbenachrichtigung im Briefkasten nicht zuletzt am aktuellen Stadtbild. Bei einem Spaziergang durch Dresden, egal ob nur kurz durchs eigene Viertel zum Kiosk oder einmal quer durch die Stadt zum Arbeitsplatz, kommt man zwangsläufig an einem ganzen Wald an Wahlplakaten vorbei.

Und auch wenn das für die meisten Deutschen einen durchaus gewohnten und vertrauten Anblick darstellt, ist dieser Umstand allein kein besonders überzeugendes Argument für die Plakatierung sein. Höchste Zeit, könnte man meinen, die Sinnhaftigkeit von Wahlplakaten in Zeiten von Ressourcenknappheit und politischer Entfremdung zu hinterfragen.

Zunächst kann natürlich argumentiert werden, dass Plakate vor allem dann bedeutsam sind, wenn es darum geht, die eigene Wählerschaft zu mobilisieren. Bin ich als Wählerin beispielsweise ansprechbar für die Grünen, würde es mich möglicherweise irritieren, würden genau deren Plakate im Stadtbild fehlen. Darüber hinaus wird mit Plakaten signalisiert, dass überhaupt eine Wahl ansteht und motiviert möglicherweise Menschen dazu, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Aus dieser Perspektive gesehen sollen die kurzen Statements, falls überhaupt enthalten, im Optimalfall zum Nachdenken und zur Eigenrecherche anregen, sodass dann eine solide und informierte Wahlentscheidung getroffen werden kann.

Doch wie realistisch ist diese Hoffnung? Wie oft wohl radelt ein Mensch an einem FDP-Plakat vorbei und fühlt sich spontan von “Nie gab es mehr zu tun” dazu inspiriert, sich zuhause das Wahlprogramm der Liberalen zumindest etwas genauer durchzulesen und daraufhin eine Wahlentscheidung für diese Partei zu treffen? Dass das ein eher unwahrscheinliches Szenario ist, belegt auch die Forschung, die sich weitestgehend darin einig ist, dass auch die schönsten Schwarz-Weiß-Porträts und poppigen Farb-Kombinationen kaum jemanden umstimmen. Dieser Eindruck wird durch weitere Forschungsergebnisse bestätigt, denen zufolge Menschen im Schnitt gerade mal 2 Sekunden lang auf ein Wahlplakat schauen. Es scheint also eine recht simple Wahrheit zu sein, dass Wahlplakate schlicht nicht dazu taugen, relevante Inhalte zu übermitteln oder Menschen in ihrer Wahlentscheidung entscheidend zu beeinflussen. Und dass das problematisch ist, liegt ja geradezu auf der Hand in einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen immer einfachere Antworten auf immer komplexer werdende Probleme suchen. Motivieren wir uns also sogar gegenseitig dazu, komplizierte und vielschichtige Probleme entscheidend zu verkürzen, nur damit sie auf ein Wahlplakat passen?

Und dies sind nicht die einzigen Nachteile von Wahlplakatierungsaktionen, denn natürlich werden massive finanzielle, materielle sowie personelle Ressourcen benötigt, um diesen Kraftakt zu jeder Kommunal- und Bundeswahl immer wieder zu bewältigen!

Aus diesen Gesichtspunkten könnte es also eine durchaus sinnvolle Überlegung sein, demnächst auf den Wahlplakate-Dschungel zu verzichten. Es bleibt nur fraglich, ob sich genügend mutige Politiker*innen zusammenfinden werden, um den ersten Schritt zur Überwindung dieser alten europäischen Tradition zu wagen.

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